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Herbsttagung 2016

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Herbsttagung 2016

  

Im großen Hörsaal der Landeszahnärztekammer begann die diesjährige gemeinsame Herbsttagung der Kammer und des Zahnärztlichen Vereins zu Frankfurt am Main mit einer kleinen Verspätung, die dem großen Andrangs von über 200 fortbildungsinteressierten Zahnärztinnen und Zahnärzten geschuldet war. Der Präsident der Kammer, Dr. Michael Frank, begrüßte die Referenten und das Auditorium mit seinem traditionellen Bericht über die Entwicklungen in der Gesundheitspolitik. Ein Jahr vor der Bundestagswahl kommen durch die politischen Parteien neue Herausforderungen auf die Zahnärzte zu.

Dr. Michael Frank  

Danach begrüßte der Präsident des Zahnärztlichen Vereins, Prof. Dr. mult. Robert Sader, die Anwesenden. Er berichtete über die Erwartungen der Hochschullehrer an die neue Approbationsordnung für Zahnmediziner. Dabei gab er seiner Hoffnung Ausdruck, dass die Vermittlung von Kenntnissen in  Betriebswirtschaft, Abrechnung und Praxismanagement Niederschlag in der neuen Approbationsordnung findet. Dann wies er noch auf die nächste gemeinsame Herbsttagung der Kammer und des Zahnärztlichen Vereins hin, dann wieder als Tag der offenen Tür der Kammer. Prof. Sader lud die Anwesenden zur nächsten Frühjahrsfortbildung des Zahnärztlichen Vereins zu Frankfurt ein, die traditionell wieder im Carolinum stattfindet. Am 08.03.2017 referiert Prof. Dr. Hubertus Nentwig zum Ende seiner Lehrtätigkeit in einer „Abschiedsvorlesung“ über eine Neuheit aus der Implantatentwicklung.

Der nächste Programmpunkt der Veranstaltung war die Verleihung des Friedrich-Kreter-Promotionspreises des Zahnärztlichen Vereins zu Frankfurt am Main von 1863. Damit ehrt der Verein seit Jahren die Dissertation mit dem größten Erkenntnisgewinn für den praktisch tätigen Zahnarzt. Der diesjährige Preisträger Herr Dr. Heinrich Schülein aus Greifswald erhielt den mit 1500,- € dotierten Preis aus den Händen des Präsidenten zusammen mit dem traditionellen Bembel und einer Tüte Frankfurter Bethmännchen.

Dann präsentierte er in seinem Vortrag seine Dissertation mit dem Titel:

  Prof. Dr. mult. Robert Sader    Dr. Heinrich Schülein

"Untersuchung zum Zusammenhang zwischen Bruxismus und CMD-Symptomen sowie schlafbezogenen Atmungsstörungen" Wie die das Auditorium aus eigener Praxis weiß, nehmen die Zahlen der Patienten, die knirschen oder pressen weiter zu und ein Bruxist ist immer ein besonderer Patient. Dr. Schülein präsentierte die Ergebnisse seiner Studie mit 67 Teilnehmern. Wie zu erwarten, ergab sich eine Korrelation zwischen der Masseteraktivität und myofaszialen Schmerzen. Gleichzeitig ergab sich ein höheres Risiko für nächtliche Atmungsstörungen bei geringer oder keiner nächtlichen Masseteraktivität. Genauso erwiesen sich hohes Alter, das männliche Geschlecht und ein hoher BMI als Risiko für einen erhöhten Apnoe- und Hypnoeindex. Bruxismus scheint eine gewisse "Schutzfunktion" für nächtliche Atemstörungen zu haben. Dadurch besteht, so Dr. Schülein, die Gefahr, durch die Eingliederung von monomaxillären Schienen eine Schlafapnoe zu verstärken.

Nach reichlich Applaus durch die Anwesenden konnte Herr Prof. Dr. Ulrich Lotzmann mit dem Hauptteil der Veranstaltung beginnen. Er stellte die Abteilung für orofaziale Prothetik und Funktionslehre des ZMK Marburg vor. Wer Prof. Lotzmann kennt, weiß dass das nicht ohne wunderschöne Aufnahmen aus dem Weltraum und der ISS bleiben konnte. Prof. Lotzmann präsentierte die Marburger Zahnklinik, die bei ihrer Neueröffnung 1964 zu den modernsten Europas zählte. Er berichtet auch, wie die geplante Schließung in den Jahren nach 1995 abgewendet werden konnte.
Prof. Dr. Ulrich Lotzmann  

Sein Fachvortrag stand unter dem Titel: "Der Marburger Ansatz in der klinisch/manuellen Funktionsanalyse". Die craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) hat eine multifaktorielle Ätiologie. Dabei spielt die Okklusion in den Veröffentlichungen der letzten Jahre eine immer unwichtigere Rolle. Doch, so Prof. Lotzmann, kann eine Malokklusion im klinischen Einzelfall entscheidend relevant sein. Zu den okklusalen Ursachen einer CMD zählen Hyperbalancen und der posteriore Stützzonenverlust. Finden sich bei einem Patienten diese Okklusionsstörungen, kann ihre Korrektur sinnvoll sein. Dazu zeigte er eindrucksvolle Bilder, um den Anwesenden das Spurenlesen in der Okklusion näher zu bringen.

Danach übernahm Prof. Dr. Reiner Mengel den Stab mit seinem spannenden Vortrag über "die Schattenseiten der Implantat Prothetik". Aussagen über die Ätiologie des Implantatverlusts können nur über Langzeitstudien gemacht werden. Prof. Mengel stellte das Marburger Computerprogramm zur Datenverwaltung und Analyse vor. Mit diesem Programm wurde auch die 26-Jahres-Studie von Implantaten bei Patienten mit Parodontitis ausgewertet. Es zeigten sich neben der Überlebensrate von 83%, also ähnlich der
  Prof. Dr. Rainer Mengel

bei parodontal Gesunden, die Vorteile einer herausnehmbaren Versorgung. Neben verschiedenen Studien zu Implantaten bei Patienten mit aggressiver Parodontitis ging der Referent auch auf den bukkalen Knochenabbau bei diesen Patienten ein. Er führt dies auf die Biomechanik in der Oberkieferfront zurück, die zu einer Auslenkung der Implantate unter Belastung nach labial führt. Die langjährige Erfahrung der Marburger Prothetik identifizierte die Faktoren des Erfolgs von Implantatversorgungen: Gute Mundhygiene, regelmäßiges Recall und reinigungsfreundliche Suprakonstruktionen.

Dr. Daniel Weber berichtete danach über den Einfluss von Zahnverlust auf die Lautbildung. Beim Sprechen wird der im Kehlkopf gebildete Ton im Oraltrakt verändert. Dabei werden die Konsonanten durch die Berührung von aktiven und passiven Modulatoren gebildet. Die passiven Modulatoren, Gaumen und Zähne, gehören dabei zum Aufgabengebiet des Zahnarztes. Bei Neuversorgungen mit Zahnersatz betreffen  50% der Probleme die Zischlaute "s, ch, sch und z". Dabei legt sich die Zunge an die palatinalen Bereiche der OK Seitenzähne. Lispeln kommt also nicht, wie häufig angenommen, von einer Fehlstellung der OK Frontzähne. Diese werden nur für das "F" benötigt, wenn die Unterlippe die OK Schneidekanten berührt.
Dr. Daniel Weber  

Alles in allem, so schloss Dr. Weber seinen informativen Vortrag, sei die Artikulation jedoch sehr kompensationsfähig.

Dr. Holger Gloerfeld entführte die Anwesenden dann in die alltäglichen Probleme mit Unterkiefer Totalprothesen. In seinem Vortrag "die saugende UK Totalprothese - eine Fiktion" berichtete er über die Kniffe und Tricks, die er sich, auch durch den Kontakt mit Prof. Abe aus Japan, erarbeitet hat. Der Faltenbildung der lingualen Mucosa beugt er durch das Straffen während der Abformung mit einem verlängerten Löffel vor. Ein vorhandener Schlotterkamm wird aufrecht abgeformt und die fehlende Lagestabilität bei stark atrophiertem Kieferkamm wird durch eine Abformung über die linea mylohyoidea hinweg kompensiert.

  Dr. Holger Gloerfeld

Das Ausnutzen des Schneeschuhprinzips und die kaustabile Aufstellung gehören zu den Basics, die Ausbildung eines Trigonumventils durch eine mundgeschlossene Abformung mit X-3.N ist schon eine Feinheit. Eine saugende UK Totalprothese sei keine Fiktion, sondern eine Vision, so Dr. Gloerfeld in seinem Schlusswort.

Last but not least begann Dr. Göckel seinen Vortrag über das sich rasant verändernde Feld der intraoralen Scantechnologie. Er stellte einen kompletten Behandlungsfall mit festsitzenden Brücken im Oberkiefer und implantatgetragenen Brücken im Unterkiefer vor. Der digitale Workflow begann mit der 3-D Implantatplanung, gefolgt von 3-D gedruckten Bohrschablonen und dem Einscannen der Implantatpositionen nach dem Setzen der Implantate. Nach der Einheilzeit
Dr. Friedrich Gockel  

folgte das Scannen der präparierten Zähne, das Nachscannen der Implantate und die elektronische Vermessung der UK Position und der UK Bewegungen. Die Scantechnologie ist heute bei kleinen Einheiten der klassischen Technik ebenbürtig oder sogar überlegen, so Dr. Göckel. Seinen Vortrag schloss er mit einem Ausblick auf die nahe Zukunft. Er zeigte Forschungsarbeiten zur Zusammenführung von Daten aus einem Kieferscan und einem Gesichtsscan in einem virtuellen Artikulator und der Fusion von Scannerdaten und DVT-Daten.

Zum Ende der Fortbildungsteils dieser, trotz einiger technischer Probleme, wieder gelungenen Veranstaltung der Kammer und des Vereins dankte Prof. Sader noch einmal allen Referenten und lud die Anwesenden noch zum traditionellen hessischen Buffet und kollegialen Austausch ein.

Zuletzt geändert am: 04.02.2017 um 10:55

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